1265 – 1336
I. Tanto gentile e tanto onesta pare
So
ganz holdselig scheint, so reich an Sitte
Die
Liebste, sieht man sie im Gruß sich neigen,
Daß
Zittern jeden Mund befällt und Schweigen,
Und keinem
Aug’ ein dreister Blick entglitte.
Sie
aber geht durch der Entzückten Mitte,
Gekleidet
mild in Demuth, die ihr eigen.
Da
ists, als ob vor uns vom Himmelsreigen
Ein
Wunderbild zur Erde niederschritte.
Sie
stellt sich jedem Blick so lieblich dar,
Daß
eine Süße dringt durchs Aug’ ins Herze,
Die
Keiner, der ihr fremd, zu kennen wähne.
Und
von den holden Lippen wunderbar
Weht
linder Hauch, erfüllt von Lieb’ und Schmerze,
Der zu
der Seele spricht: nun seufz’ und sehne!
II. Vede
perfettamente ogni salute.
An
jedem Heil in Fülle wird sich weiden,
wer
bei den Frau’n sieht meine süße Minne,
Und
Jede neben ihr soll Gott bescheiden
Dank
sagen, daß sie diese Gunst gewinne.
Denn
nicht die Andern regt sie auf zum Neiden,
Nein,
solche Kraft wohnt ihrer Schönheit inne,
So
viel sich ihr gesellen, zu bekleiden
Mit
edler Anmuth Lieb’ und treuem Sinne.
Ihr
Liebreiz macht ein jedes Herz demüthig,
Und
schmückt nicht sie allein; vielmehr ist Keine,
Die
ihr zur Seiten unverschönet bliebe.
Und ihr
Gebahren ist so hold und gütig,
Daß
wer bei sich gedenkt an diese Reine,
Erfreuen
muß in Süßigkeit der Liebe.
III. Con l’altre
donne mia vista gabbate.
Ihr
spottet meines Anblicks mit den Frauen,
Und
nicht bedenkt Ihr, Herrin, wie’s geschehe,
Daß,
wenn ich Eure Schönheit vor mir sehe,
Ich
selber bin so seltsam anzuschauen.
O
wüßtet Ihr’s, in Mitleid würde thauen
Das
bartverwöhnte Herz vor meinem Wehe;
Denn
Amor, trifft er mich in Eurer Nähe,
Gewinnt
zu seiner Macht so frech Vertrauen,
Daß er
die Lebensgeister mir mißhandelt
Und
die mir tödtet, die verjagt behende;
Dann
bleibt nur er zurück, Euch zu betrachten.
Da
wird denn meine Bildung ganz verwandelt,
Doch
nicht so ganz, daß ich nicht schwer empfände
Die
Qual der Armen, die im Banne schmachten.
IV. Spesse fiate
venemi nella mente
Mir
kommt zu Sinne manche Stund’ im Tage
Der
dunkle Stand, den Liebe mir ersehen.
Deß
jammert mich so bitter, daß ich frage:
„Ach,
kann wohl Andern noch so schlimm geschehen?
Daß
mich bestürmt so jähe Liebesplage,
Als
müßt’ ich schier von dieser erde gehen,
Und,
ein Gespenst, mein Leben fürder trage!“
(Nur
weil es zeugt von Euch, kann es bestehen.)
Dann,
mich zu retten, fass’ ich mich gewaltsam,
Und
so, erblichen, keiner Kraft bewußt
Begegn’
ich Euch, zu heilen meine Leiden.
Und
schlag’ ich auf die Augen, unaufhaltsam
Hebt
ein Erdbeben an in meiner Brust,
Das
aus den Pulsen zwingt den Geist zu scheiden.
V. Negli occhi
porta la mia donna Amore.
Die
Liebe wohnt im Auge meiner Schönen,
Und lieblich
wird, was sie mit Blicken weihte.
Wo sie
erscheint, starrt man nach jener seite,
Und
wen sie grüßt, der fühlt’s im Innern dröhnen,
Daß
sein Gesicht erblaßt und er mit Stöhnen
Das
Auge senkt, mit seinem Selbst im Streite.
Vor
ihr fliehn Zorn und Übermuth ins Weite.
Ach,
helft mir, Frauen, würdig sie zu krönen!
Jedwede
Süße wird dein Herz beschleichen
Und
alle Demuth, hörst du, wenn sie spricht;
Wenn
du zuerst sie schaust – o sel’ge Stunde!
Doch
wie es ist, wenn sie mit sanftem Munde
Ein
wenig lächelt – sag’ und fass’ ich nicht,
So
ist’s ein Wunder, herrlich ohne Gleichen!
VI. Amore e’l
cor gentil sono una cosa
Lieb’
und ein edles Herz sind Eines nur,
So
hörst du schon des Weisen Spruch dir sagen.
Eins
darf so wenig fliehn des Andern Spur,
Als
Menschengeist des Geistes sich entschlagen.
Dem
Menschen giebt, will sie ihm wohl, Natur
Amor
zum Herrn, die Wohnung aufzuschlagen
Im
tiefsten Herzensgrund der Creatur;
Dort
läßt er sich’s lang oder kurz behagen.
Schönheit
erscheint in klugem Weibe drauf,
Gewinnt
die Augen ganz und regt im Herzen
Die
Sehnsucht auf nach dem, was sie gewann,
Die
hält so lange sich im Innern auf,
Bis
dort erwacht ein Hauch der Liebesschmerzen;
Und
Gleiches wirkt im Weib ein edler Mann.